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Tag 13 - 24.09.2010


Die Wettergötter am 23.09. waren uns nicht gnädig, daher hatte sich die Gruppe kurzfristig dazu entschieden, einen weiteren Tag in Kyôto zu verbringen bzw. es wurde die Möglichkeit gegeben, die Gegend auf eigene Faust zu erkunden. Dies erwies sich als gute Wahl,  da das Wetter am darauffolgenden Tag wieder sonnig und warm war. Die Gruppe machte sich daher am 24.09 gegen 9 Uhr auf den Weg und fuhr vom Kyôto-Bahnhof in Richtung Nara.

Nara ist heute die Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur im Kansai-Gebiet und stellt mit rund 360.000 Einwohnern auch das Zentrum dieser dar. Die gesamte Gegend ist sehr geschichtsträchtig - im Süden lagen die ersten Hauptstädte Japans, Kashiwara und Asuka; im Norden, nur durch eine Hügelkette getrennt, liegt Kyōto. Seit 660 v.u.Z. wanderte die Hauptstadt allmählich gen Norden. Nara war von 710 bis 784 n.u.Z. die erste feste Hauptstadt Japans (davor wurde, sobald der Tennō  verstarb, die Hauptstadt jedes Mal verlegt). Nara wurde von Grund auf präzise geplant - nach geomantischen Gesichtspunkten und im strengen Schachbrettmuster, was nach dem Vorbild von Chang'an (nahe Xi'an in China) geschah. Damals war Nara um ein Vielfaches größer und hatte wohl mehrere Hunderttausend Einwohner.

Ungefähr 30 Minuten später in Nara angekommen, war der erste Eindruck jedoch recht ernüchternd. Ein relativ kleiner Ort ohne besondere Architektur zeugt auf den ersten Blick nicht von einer ehemaligen Hauptstadt, welche dieses Jahr ihr 1300-jähriges Jubiläum feiert. Auf dieses Jubiläum wurde in der ganzen Stadt hingewiesen, hauptsächlich durch das das Jubiläum repräsentierende Maskottchen Sentô-kun, der durch sein doch unvorteilhaftes Design, ein kindlich anmutender Bodhisattva mit einem Hirschgeweih, schon Inhalt zahlreicher Diskussionen in den japanischen Medien war. Er war ebenso Gegenstand in der Fragerunde nach dem Vortrag zu "Characters" am Mangamuseum in Kyôto, und einer der Anwesenden äußerte die Vermutung, dass Sentô-kun absichtlich unvorteilhaft designt wurde, um Mitleid mit ihm zu haben und gerade deswegen den Verkauf von Sentô-kun Merchandise  anzukurbeln. Es scheint zu funktionuieren, da sowohl westliche, als auch asiatische Touristen keineswegs abgeschreckt von Sentô-kun waren und ihn “kawaisô” (bemitleidenwert) und "kawaii" (süß) finden. 

Ein erster Zwischenstop am Kôfuku-ji zeugte dann doch von der Pracht Naras. Eine fünstöckige Pagode, die zweitgrößte in ganz Japan und eine kleinere dreistöckige sowie die Halle Tôkondô, welche nationale Kulturschätze beeinhaltet, machen den Kôfuku-ji berechtigterweise zum UNESCO Weltkulturerbe. Langsam begegneten wir auch den ersten handzahmen Hirschen, die hier Narrenfreiheit genießen, da sie als göttliche Tiere gelten und für den Schutz und Wohlstand der Stadt sorgen sollen. Nach der Historie des Kasuga Taisha soll die Kriegsgottheit Takemikazuchi auf einem Hirsch nach Nara gekommen sein, um die neue Hauptstadt zu schützen. Durch ihren Sonderstatus ist es keine Seltenheit, dass sie sich dreist an ahnungslose Touristen anschleichen, um Stadtpläne oder ähnliches aus den Taschen zu stibitzen.

Unser erster Besuch galt natürlich dem buddhistischen Tôdai-ji, welcher gleich zwei Superlative ins sich birgt. Zum Einen stellt dieser das größte Holzgebäude der Welt, das Daibutsuden, dar, welches eine Rekonstruktion des Originals ist, jedoch "nur" 2/3 der ehemaligen Ausmaße hat. Es ist ca. 60 Meter breit, und 50 Meter hoch und tief. Das Gebäude muss so groß sein, da sich darin die größte bronzene Buddha Statue der Welt befindet. Sie ist 16m hoch (mit Sockel 30m!) und wiegt über 450 Tonnen. Bemerkenswert ist auch das kleine Loch in einem der mittleren Pfeiler innerhalb der Tempels: es heißt, wem es gelingt durch dieses Loch hindurchzukriechen soll mit Erleuchtung und Glück im nächsten Leben gesegnet werden. Dies ist aber durch die Größe des Durchgangs wohl nur Kleinkindern vorbehalten. Die Exkursionsgruppe ließ es sich dann auch nicht nehmen, sich auf dem Dach der Daibutsuden zu verewigen, indem sie das Angebot wahrnahm, einen Ziegel zu beschriften, welcher bei der nächsten Dachrestaurierung verwendet werden wird. Mit den besten Wünschen für die Zukunft zog die Gruppe weiter gen Kasuga Taisha. Auf dem Weg dorthin traute sich auch das erste Exkursionsmitglied an die Fütterung eines Hirsches und erstand für einen kleinen Obolus einige Brotscheiben. Die Hirsche bekundeten reges Interesse und im Nu war das Opfer umzingelt und wurde gezupft, gestoßen und mit großen Augen angesehen bis der letzte Krümel rausgerückt wurde.

   

Die Gruppe nahm nach diesen Strapazen erst einmal selbst ein Mahl zu sich, um gestärkt weiterzuziehen. Der shintoistische Kasuga Taisha weiß vor allem mit einer enormen Anzahl schön verzierter und  alter Steinlampen zu beeindrucken. Diese liegen jeweils links und rechts der Wege zum Schrein, sowie in den anliegenden Parkanlagen. Am 14. und 15. August jedes Jahres findet das “Chûgen mantoro matsuri” statt, bei dem die 1800 steinernen Lampen, sowie zusätzliche 1000 Hängelaternen entzündet werden. Pünktlich zum Abschluss dieser Besichtigung schlug das Wetter von sonnig-warm zu regnerisch-bewölkt um und legte somit den Gedanken nahe, nach Kyôto zurückzukehren und Nara in sehr guter Erinnerung zu behalten. Da dies der letzte Tag in Japan war, setzte sich die Gruppe abends, nach dem erfolgreichen Packen aller Koffer, in gemütlicher Runde zusammen, ließ die vergangen 2 Wochen Revue passieren und verbrachte einen schönen Abend, der als würdiger Abschluss diente.

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